Erfahrungsberichte

Magdalena G., 10 Jahre

Hallo,
ich heiße Magdalena und bin 10 Jahre alt. Mein Papa hat ein Problem, dieses Problem betrifft auch mich. Mich stört es, dass wir nie einen Sommerurlaub machen können und dass er nie mit mir draußen Radfahren kann. Er kann auch fast nie mit mir schwimmen gehen und wenn dann muss er immer im Schatten bleiben und guckt dann traurig. Ich würde auch gerne einmal einfach mit ihm Federball spielen oder nur so mit ihm in der Sonne sitzen.

Magdalena G.

Andrea, 52 Jahre

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Hallo, mein Name ist Andrea, ich bin 52 Jahre alt, habe eine Schwester und einen Bruder, wovon mein Bruder und ich die „Erythropoetische Protoporphyrie“ haben. Ich habe einen gesunden Sohn und bin Krankenschwester.

Mit 3-4 Jahren hatte ich zum ersten Mal die typischen Symptome wie Schwellung, Jucken, heiß und kalt zugleich und sehr starke Schmerzen, wie brennende Nadeln unter der Haut. Meine Eltern suchten mit mir einen Arzt nach dem anderen auf, diverse Salben, Tabletten und Tees wurden verschrieben, aber nichts half wirklich. Etwas Linderung brachten nasse Waschlappen und nasse Socken, wenn durch das Barfußlaufen die Füße betroffen waren.

Ich erinnere mich noch als ich ein Kind war und eine Tante zu Besuch war, und mit mir an einem sonnigen Tag eine Ruderbootfahrt an einem nahegelegenen See machte. Die Freude war groß, doch am nächsten Morgen konnte ich kaum mehr aus den Augen sehen, das ganze Gesicht und die Hände waren stark geschwollen und sehr schmerzhaft.

1977, als ich 13 Jahre alt war, wurde bei mir und meinem 5 Jahre jüngeren Bruder in der Universitätsklinik in Innsbruck, im Zuge eines 14tägigen stationären Aufenthaltes, die EPP diagnostiziert.

Als ich schon etwas älter war, so um die 20 herum, fragte mich ein Freund ob ich ihm bei der Aprés Ski Bar helfen möchte. Es war für mich sehr verlockend, etwas zu machen, was andere ja auch tun. Auf ca. 2000m Höhe, bei schönem Wetter, ausgerüstet mit Sonnenschirm, Sonnenschutzcreme und Schildkappe gings los. Doch leider musste ich mit den Händen immer wieder in die Sonne greifen (Getränke hinstellen) und merkte auch bald, dass es zum Kribbeln und Jucken anfing. Ich wollte aber meinen Kollegen nicht im Stich lassen und hielt noch eine Zeit lang durch. Die Folge war wieder eine schlaflose Nacht, mit sehr starken Schmerzen an den Händen, die sich leicht bläulich/rötlich verfärbten und stark anschwollen. Zusätzlich bekam ich eine Gallenkolik (die Gallenblase musste ich einige Jahre später entfernen lassen). Ich habe halt wieder einmal geglaubt, es geht mit Sonnencreme und Sonnenschirm.

Im Laufe der Jahrzehnte habe ich mich mit der Erkrankung so gut als möglich arrangiert, bin im Urlaub auch in Länder gefahren, in denen ich mich „verschleiern“ konnte z. B.in Indien oder in Marokko als Tuareg verkleidet und habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Bei uns zuhause bin ich im Sommer mit langärmeligen Blusen und langen Hosen unterwegs, bevor ich aber mit Schirm und Handschuhen ausgerüstet in der Gegend herumlaufe, bevorzuge ich es eher mich ins Haus oder zumindest in den Schatten zurückzuziehen.

Im März dieses Jahres erhielt ich mein 1. Scenesse-Implantat und konnte auf jeden Fall eine Verbesserung erfahren. In den nächsten Tagen bekomme ich mein 2. Implantat und bin schon sehr gespannt auf den heurigen Sommer.

Cornelia D., 38 Jahre

Ich wache auf, weil meine rechte Hand schmerzt. Es ist sechs Uhr früh und ich hatte Nachtdienst. Ich habe vergessen, in dem Zimmer, wo ich mich um vier Uhr früh zum Schlafen hingelegt hab, die Rollos runter zu lassen, so dass die Morgensonne meine ungeschützte rechte Hand erwischt hat.

Für mich heißt das, dass ich den gesamten Tag mit brennenden Schmerzen zu kämpfen haben werde und jeder weitere Lichtkontakt umso schlimmer sein wird.

Ich kenne diese Schmerzen seit meinem 3 Lebensjahr. Es ist als würde man innerlich verbrennen, teilweise fühlt es sich wie Millionen von Nadelstichen an und manchmal habe ich das Gefühl, als wären alle betroffenen Stellen offen und jemand bürstet mit einer Metallbürste drüber.

Und das nach nur einigen Minuten Kontakt mit der Sonne.

Auch diesmal werde ich die letzten Stunden des Nachdienstes hinter mich bringen. Keiner wird wissen, dass meine rechte Hand brennt wie Feuer und keiner wird irgendetwas bemerken, da die Erkrankung bei mir fast nie sichtbare Symptome auslöst.

Ich werde auch nichts sagen, da dieser Zustand in den Sonnenmonaten (es beginnt meist Anfang März und hält bis September/Oktober an) mein Alltag ist.

Und wenn mich die Sonne mal erwischt hat, dann helfen keine Schmerzmittel. Das einzige, das etwas hilft sind dunkle Räume, Kühlung (hilft leider nur kurzfristig) und das war es dann auch schon wieder.

Ich werde zu Hause sitzen, versuchen mich ab zu lenken und im dunklen Zimmer warten bis es etwas besser wird. Abends im Bett wird jeder Teil meines Körpers brennen, sobald die Decke mich berührt bzw. meine Hände oder Füße auf dem Leintuch aufliegen, weil diese Wärme sich anfühlt als würde man ein heißes Eisen auf die betroffenen Stellen legen. Oft dauert dann das Einschlafen Stunden.

Schmerzen aushalten …. das ist es, was ich durch die EPP gelernt habe.

Ich habe erst vor einem Jahr andere Patienten mit derselben Erkrankung kennen gelernt. Bis dahin dachte ich, trotz meines Fachwissens als Ärztin, das ich mir die Stärke der Schmerzen nur einbilde bzw. einfach psychisch labil bin. Dazu muss man wissen, dass die meisten EPP Patienten, vor dem Zeitalter des Internets, eine diagnostische Odyssee durchmachen mussten, bevor die richtige Diagnose gestellt wurde. Häufig wurde man als verrückt, psychisch labil oder sogar als Simulant dargestellt. Die wenigsten Mediziner sehen in ihrer Arbeitslaufbahn einen EPP Patienten und sind auf die Fachliteratur angewiesen. Diese beschrieb bis in die 90er Jahre die EPP als leichte Form einer Porphyrie mit geringer Einschränkung der Lebensqualität.

Dies hatte zur Folge, dass auch das nahe Umfeld oft nicht verstand, warum man „bei dem bisserl Sonne “ schon solche Probleme machte. Ich habe mich dann oft geniert und mich einfach zusammengerissen und durchgehalten. Lieber Schmerzen als diese ungläubigen Blicke. Und irgendwann, glaubt man sich selbst nicht mehr……………………

Erst nach dem Treffen mit internationalen EPP-Experten, die mir immer wieder erklärten, dass die EPP eine schwere Strahlenerkrankung mit unerträglichen Schmerzen ist, begann ich mir wieder selber zu glauben. Durch den Kontakt mit anderen EPP Patienten erfuhr ich, dass viele ähnliches oder noch viel schlimmeres durchmachen mussten, z.B. wurde bei manchen Pat. die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt. Unvorstellbar, was sie bis dahin mitgemacht haben müssen.

Trotzdem ich stark unter der EPP leide, habe ich durch diese chronische Krankheit gelernt, mich nicht einfach geschlagen zu geben. Ich bin durch Südostasien gereist, vermummt wie ein kleiner Ninja (zumindest nannten mich manche Laoten so), bewaffnet mit meinem beschichteten Schirm. Natürlich hatte ich trotz aller Vorsichtsmaßnahme immer wieder sehr starke Schmerzen, die mich dazu zwangen im verdunkelten Hotelzimmer zu bleiben, manchmal für Tage, denn auch eine Vermummung mit Hut, Schal, Gesichtsschutz, Mantel, langer Hose, Socken, Handschuhe und Schirm hilft nur teilweise. Aber das Gefühl zumindest einen Teil meiner Freiheit zurückerobert zu haben, war es das mehr als wert. .

Mich kosteten diese Reisen immer viel Kraft, aber ich zehre immer noch von den Bildern und den Erfahrungen, die ich dadurch machen konnte. Immer, wenn ich mit Schmerzen in meinem dunklen Zimmer sitze, denke ich an all die Orte, an denen ich war und träume mir einfach meine Freiheit wieder herbei.

Familie M.

Unser Leben mit EPP begann im Sommer 2006, als unser älterer Sohn knapp 4 Jahre alt war. Nach einem Badetag am Strand von Cavallino (Italien) beschwerte er sich nachts über Schmerzen „am ganzen Körper“, wie er sich ausdrückte. Er weinte und schwankte zwischen Verzweiflung und Panik, da er sich so hilflos fühlte. Ebenso ging es uns Eltern. Wir waren völlig ratlos über die Ursache seines Problems. Eine Dosis Schmerzmittel (Paracetamol) wirkte nicht, wie wir es bei anderen Krankheiten gewohnt waren. Nach einigen Stunden ließen die Schmerzen zum Glück nach. Am nächsten Tag war unser Sohn noch beeinträchtigt und zeigte eine sehr deutliche Scheu davor, erneut in die Sonne zu gehen. So beschränkten wir uns darauf, unser Apartment nur morgens und abends zu verlassen.

Ein erstes Gespräch mit dem Kinderarzt verlief ohne Ergebnis, da man auf der Haut nichts sehen konnte und es „keine Sonnenallergie ohne sichtbare Zeichen gibt“.

Im darauffolgenden Sommer besuchten wir wieder Italien – allerdings mit sehr viel Vorsicht, was unsere Aufenthalte am Strand betraf. Es verlief insgesamt besser, unser Sohn hatte diesmal keine Schmerzattacke zu überstehen, zeigte allerdings seine Sonnenunverträglichkeit – trotz großer Vorsicht – in Form eines Sonnenstichs.

Die nächste Begegnung mit der Krankheit erfolgte im Sommer 2008 an der Nordsee. Nachdem wir bei großteils bewölktem und sehr windigem Wetter und nur kurzen sonnigen Abschnitten mit Shorts und Oberbekleidung am Strand spazieren gingen, tauchten nachts Schmerzen und ein Brennen der Haut auf den Beinen auf, die unseren Sohn zu panikartigem Weinen brachten. Außerdem bemerkten wir Schwellungen auf den Handrücken.

Im darauffolgenden Herbst schickte uns die neue Kinderärztin aufgrund dieser Symptome auf die Allergieambulanz der Dermatologie im Wiener Wilhelminenspital. Dort wurde sofort der Verdacht einer Stoffwechselerkrankung geäußert und mehrere Bluttests durchgeführt. Nach der Beobachtung der Fluoreszenz im Blut, die den Verdacht auf eine Porphyrie bestätigte, erfolgte am Institut für Arbeitsmedizin am AKH Wien im Jänner 2009 der Nachweis von erhöhtem Protoporphyrin und somit die Diagnose einer EPP. Hundertprozentige Sicherheit erhielten wir nach einer Untersuchung und einem genetischem Test am Triemli-Spital in Zürich im Sommer 2009.

Bereits davor, im April 2009, war uns klar, dass wir dem Sonnenproblem auch in unserer Heimat nicht entrinnen können. Unser Sohn berichtete über Brennen und Hitzegefühl auf den Unterarmen und Handrücken, somit war das Tragen von kurzärmeligen T-Shirts in der Sonne vorbei und es begann die Zeit der Handschuhe, langen Hosen, Kappen und Schals bei Sonnenschein. Auch unser jüngerer Sohn, damals viereinhalb Jahre alt, zeigte in diesem Frühling zum ersten Mal Symptome der EPP in Form von „heißen Händen“.

Seither verbringen wir unseren Urlaub immer im Norden. Dort ist zwar die Strahlungsbelastung aufgrund der reinen Luft und besonders in der Nähe des Meeres ebenfalls sehr hoch, doch für die Betroffenen ist das Tragen von langer Kleidung wegen der klimatischen Bedingungen besser erträglich.

In der Schule müssen wir Eltern viel Informationsarbeit leisten, damit das Lehrpersonal angemessen reagiert. Hierbei ist es wichtig, die Krankheit konkret zu beschreiben, damit den Kindern Verständnis für ihre Situation entgegengebracht wird. Sportaktivitäten im Freien sind im Sommerhalbjahr nur eingeschränkt möglich und auf Sommersportwochen können EPP-Betroffene nicht am Sportprogramm teilnehmen. Beim Skifahren sind eine Gesichtsmaske und Spiegelbrille unbedingt notwendig, ein Mittagessen mit den anderen im Freien ist aber niemals möglich.

Schwimmen im Freien ist für Kinder und Jugendliche mit EPP nur in den Morgenstunden oder am Abend möglich. Bei Wanderungen oder Spaziergängen sind sie mit langer Kleidung – auch bei Hitze – und mit Sonnenschirm und Handschuhen ausgerüstet. Die Teilnahme an Freizeitveranstaltungen während der Sommerferien, wie z. B. Pfadfinderlager oder Jugendcamps, ist dagegen nicht vorstellbar, weil sie mit erheblichen Problemen verbunden und vom sozialen Aspekt her für die Kinder sehr belastend wäre.

Unsere Kinder sind jetzt 12 und 14 Jahre alt und haben inzwischen gelernt, mit der EPP umzugehen, zunehmend auch in eigenverantwortlicher Weise. Aus unserer Sicht ist aber ein starker familiärer Rückhalt, Verständnis der Eltern sowie umfassende Information über die Krankheit und alle bestehenden Möglichkeiten Voraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche trotz ihrer Einschränkung einen normalen sozialen Umgang haben und ein selbstbewusstes Leben führen können.